top of page

Russland - Verfassungsgericht weist Behörden in die Schranken

Patrick Pohlit


Am 02.07.2020 entschied das Verfassungsgericht der RF über die Zulässigkeit eines durch die Staatsanwaltschaft geltend gemachten Schadenersatzsatzanspruches im Zusammenhang mit der Nichtzahlung von Steuern. Diese Vorgehensweise wurde gewählt, nachdem die Beitreibung der Steuern durch die Steuerbehörde beim Steuerpflichtigen wegen Verfahrensmängeln nicht mehr möglich war. Der Plenumsbeschluss stärkt nicht nur den Steuerpflichtigen, sondern auch das Rechtssystem im Hinblick auf Rechtssicherheit, Gewaltenteilung und Verfahrensrecht.


Zum Sachverhalt: Auf Grundlage der Ergebnisse der Betriebsprüfung kam die Steuerbehörde zu dem Schluss, dass der Steuerpflichtige, der während des Prüfungszeitraums den Status eines Einzelunternehmers (IP) besaß, ohne gebührende Sorgfalt Geschäftsbeziehungen mit Vertragspartnern eingegangen ist und nach Meinung der Behörde ungerechtfertigterweise Vorsteuerabzüge geltend macht hat. Dies führte zu Nachforderungen bei der Umsatzsteuer und der Festsetzung von Strafen und Bußgeldern.


Da der betroffene Steuerpflichtige zum Zeitpunkt der Betriebsprüfung den IP-Status nicht mehr besaß, leitete die Inspektion die Zwangsvollstreckung der Rückstände im gerichtlichen Verfahren ein. Das Gericht lehnte jedoch die Beitreibung ab, da die Steuerbehörde die sechsmonatige Vollstreckungsfrist versäumt hatte, woraufhin diese die Forderung als uneinbringlich abschrieb.


Trotz dieser prozessualen Hürde reichte die an dem Verfahren beteiligte Staatsanwaltschaft Klage auf Ersatz des materiellen Schadens ein, der durch die unterlassene Steuerzahlung dem Staatshaushalt entstanden ist.

Das Verfassungsgericht der Russischen Föderation erklärte in seinem Beschluss vom 02.07.2020 N 32-P die eingereichte Schadensersatzklage für unzulässig und wies auf die Notwendigkeit hin, zwischen den eigentlichen Steuerpflichten, die durch das Steuergesetzbuch der Russischen Föderation geregelt werden, und den Verpflichtungen zum Ausgleich von Schäden im Rahmen von begangenen Straftaten zu unterscheiden. Im letzteren Fall käme es in erster Linie auf den unmittelbaren Kausalzusammenhang zwischen der begangenen rechtwidrigen Handlung und dem zugefügten Schaden an. Allein die Nichtzahlung der Steuern begründe keine solche Kausalität. Zudem hatte die Steuerbehörde als Behörde den Verfahrensfehler zu vertreten, der zu der Uneinbringlichkeit der Steuerbeträge führte.


Die Entscheidung des Verfassungsgerichts der RF ist für Steuerpflichtige (sowohl für natürliche als auch für juristische Personen) von großer Bedeutung, da sie die willkürliche Anwendung prozessualer Verfahrensvorschriften zur Beitreibung von Steuerschulden durch staatliche Behörden erheblich einschränkt. Zum anderen zeigt sie, dass es theoretisch möglich ist, nichtbezahlte Steuern im Wege eines Schadensersatzprozesses (Adhäsionsverfahren) einzuklagen.


75 Ansichten

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen
bottom of page