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Russland - Umqualifizierung in Dividenden

Patrick Pohlit


Eine Erhöhung des Grundkapitals aufgrund thesaurierter und nicht ausgeschütteter Gewinne aus Vorjahren führt nach einem Gerichtsurteil zu Erträgen beim Anteilseigner und wird als Dividende umqualifiziert. Daher hat die betroffene Gesellschaft hierauf auch russische Quellensteuer einzubehalten.

Dem Urteil des 9.Arbitrage-Berufungsgericht lag folgender Sachverhalt zu Grunde:

Eine Bank erhöhte im Jahr 2018 ihr Stammkapital aus thesaurierten und nicht ausgeschütteten Gewinnen der Vorjahre. Der einzige Aktionär der Bank war ein im Iran angemeldetes ausländisches Unternehmen. Die Bank hat bei der Erhöhung ihres Stammkapitals keine Quellensteuer einbehalten.

Die Steuerbehörde vertrat die Auffassung, dass der Aktionär bei einer Erhöhung des Stammkapitals durch Erhöhung des Nennwerts seiner Anteile auf Kosten der einbehaltenen Gewinne der Vorjahre Einkünfte in Höhe der Erhöhung des Nennwerts der Aktie erzielt, die als Dividendeneinkünfte zu qualifizieren sind.

Der Standpunkt der Steuerbehörde stützt sich auf die Erläuterungen des russischen Finanzministeriums in den Schreiben Nr. 03-08-05/88043 vom 12.09.2022 und Nr. 03-08-05/110516 vom 14.11.2022. Die Bank versuchte, die Position der Steuerbehörde anzufechten, indem sie sich auf die Ausnahmeregelung in Unterabsatz 15, Ziff. 1, Art. 251 des Steuergesetzbuches der Russischen Föderation berief, gemäß der die Einkünfte in Form des Wertes zusätzlicher ausgeteilter Aktien, die ein Aktionär erhält und die aufgrund des Beschlusses der Hauptversammlung im Verhältnis zur Anzahl der von ihnen gehaltenen Aktien bei der Erhöhung des Grundkapitals einer Aktiengesellschaft an die Aktionäre verteilt werden, keiner Gewinnsteuer beim Anteilseigner unterliegen.

Die Steuerbehörde und die Gerichte erster und zweiter Instanz teilten die Ansicht der Bank nicht, weil die in Art. 251 SteuerGB RF aufgeführten Ausnahmen nicht auf den Einbehalt der Quellensteuer Anwendung finden.

Darüber hinaus verwiesen die Gerichte auf Ziff. 7 der Kommentare der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zu Art. 1 des Musterabkommens, gemäß dem der DBA - Hauptzweck darin besteht, den Austausch von Waren und Dienstleistungen sowie den Kapital- und Personenverkehr durch die Beseitigung der Doppelbesteuerung zu erleichtern und Steuervermeidung und -hinterziehung zu verhindern.

Die Bank hält den Verweis auf das OECD-Musterabkommen für unbegründet, weil der OECD-Rat am 25.02.2022 beschlossen hat, den Beitrittsprozess Russlands offiziell zu beenden. In diesem Zusammenhang ist Russland kein Kandidat mehr für den Beitritt zur OECD und unterhält keinerlei Rechtsbeziehungen zu dieser Organisation. Die Bank stellt außerdem fest, dass die Islamische Republik Iran kein Mitglied der OECD ist und keine Rechtsbeziehungen zur OECD unterhält.

Das Gericht wies jedoch darauf hin, dass das Oberste Arbitragegericht der Russischen Föderation eine Rechtsstellung dazu genommen hat, das OECD-Musterabkommen und seine Kommentare als zusätzliche Quelle für die Auslegung eines internationalen Abkommens angesehen werden können und die Anwendung der Kommentare zum Musterabkommen für die Qualifizierung von Rechtsverhältnissen zum Zwecke der ordnungsgemäßen Anwendung von Steuerabkommen zulässig und notwendig ist. Somit sind die Ereignisse im Februar 2022 für die strittigen Anrechnungen nicht relevant.


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