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Russland - Virtuelle Gesellschafterversammlungen

Zurab Tsereteli

Die Corona-Pandemie stellt Unternehmen vor vielfältige Herausforderungen, auch bei der Erfüllung von gesellschaftsrechtlichen Verpflichtungen.

Der Gesetzgeber hat darauf reagiert und Online-Gesellschafterversammlungen sowie die Nutzung von Umlaufverfahren für Unternehmen teilweise ermöglicht.

Als weitere Erleichterung wurde für das Jahr 2020 die Frist für die Abhaltung von Gesellschafter- und Hauptversammlungen zur Feststellung von Jahresabschluss und -ergebnis bis zum 30. September 2020 verlängert.

Zudem sind die Regelungen zum Reinvermögen ausgesetzt worden, um Unternehmen von Kapitalmaßnahmen zu entlasten. Liquidationen sollen verhindert oder den Gesellschaftern zumindest Zeit verschafft werden, um Gegenmaßnahmen ergreifen zu können.

Das Gesetz über Aktiengesellschaften ist das derzeit fortschrittlichste Gesetz in Bezug auf die Wahl der Formate der Durchführung von Hauptversammlungen, da es direkte Möglichkeiten zur Fernabstimmung, d.h. ohne physische Präsenz der Aktionäre am Ort der Hauptversammlung, die Online-Teilnahme an der Hauptversammlung, die Online-Erörterung der Tagesordnung und zur virtuellen Beschlussfassung (Ziff. 11 Art. 49 AktG) vorsieht. Abgesehen davon, dass die Durchführung der Online-Hauptversammlung durch das Gesetz festgelegt ist, kommt sie aber ohne Formalien in der Offline-Welt nicht aus. Das Gesetz fordert nämlich auch, das Protokoll der Hauptversammlung binnen 3 Tagen nach Abschluss der Versammlung in Papierform zu erstellen und durch den Vorsitzenden und den Sekretär der Versammlung zu unterzeichnen.

Das OOO-Gesetz sieht die Möglichkeit zur Abstimmung im Umlaufverfahren durch einen elektronischen Dokumentenaustausch (Art. 38 OOO-Gesetz) vor. Dieser Artikel verbietet allerdings auch, Beschlüsse der Gesellschafterversammlung bezüglich der Feststellung des Jahresabschlusses im Umlaufverfahren zu fassen. (Art. 38 Abs. 2 Ziff. 2 OOO-Gesetz). Daraus folgt, dass die Gesellschafterversammlung, welche über die Feststellung des Jahresabschlusses beschließt, ausschließlich in Präsenzform durchzuführen ist. Wie bei den Aktiengesellschaften muss das Protokoll einer Gesellschafterversammlung in Papierform erstellt und im Protokollbuch in dieser Form aufbewahrt werden.

Die Gerichtspraxis sieht virtuelle Versammlungen und die Durchführung von Sitzungen per Skype nicht als Verstoß gegen die geltende Gesetzgebung an. Russische Gerichte erkennen, dass die Durchführung von Online-Versammlungen gesetzlich nicht verboten ist. Darüber hinaus ist die virtuelle Form von Versammlungen im Hinblick auf Entwicklung von Telekommunikationssystemen fortschrittlich und sie trägt zur Verbesserung des Geschäftsverkehrs bei, weil die Durchführung von Online-Versammlungen kostengünstig und effizient ist. (Beschluss des 15. Arbitrageberufungsgerichts vom 26. April 2013 Nr. 15АП-4482/13, Beschluss des Föderalen Antimonopoldienstes des Moskauer Bezirks vom 25. 10.2011 Fall Nr. А40-113202/09-62-790; Beschluss des Arbitragegerichts der Stadt Moskau vom 26.05.2011 Fall Nr. А40-113202/09-62-790; Beschluss des Arbitragegerichts der Region Krasnodar vom 28.01.2013 Fall Nr. А32-27215/201).

Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass Gesellschaften in ihrer Satzung die Möglichkeit und Verfahren zur Durchführung von Haupt- und Gesellschafterversammlungen mithilfe von Videokonferenzen gleichzeitig mit einer alternativen Vorgehensweise zur Bestätigung der Zusammensetzung der anwesenden Gesellschafter/Aktionäre festlegen müssen. Grund dafür ist, dass die gefassten Beschlüsse sowie die Zusammensetzung der Gesellschafter/Aktionäre einer notariellen Beurkundung bedürfen, sofern eine alternative Vorgehensweise der Bestätigung durch die Satzung nicht bestimmt ist. In einem solchen Fall wäre nämlich die Durchführung von Online-Versammlungen nicht möglich, da der Notar die Zusammensetzung der bei der Videokonferenz anwesenden Gesellschafter/Aktionäre nicht bestätigen kann, weil er es nicht vermag, die Identität und Befugnisse einer Person, die an der Online-Konferenz teilnimmt, zu prüfen.

Aus Anlass der Ausbreitung von COVID-19 wurde das Föderalgesetz 07.04.2020 Nr. 115-FZ „Über die Vornahme von Änderungen einiger Gesetzgebungsakte der Russischen Föderation“ verabschiedet und die unternehmenseigenen Richtlinien können entsprechend angepasst werden.

In erster Linie wird die Frist zur Abhaltung von ordentlichen Gesellschafterversammlungen einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung und von Jahreshauptversammlungen der Aktionäre einer Aktiengesellschaft, in denen das Jahresergebnis und der Jahresabschluss 2019 festgestellt werden, von Ende April bis einschließlich 30. September 2020 verlängert. Dies gilt auch für Beschlüsse des alleinigen Gesellschafters oder Aktionärs über die Feststellung des Jahresabschlusses.

Die Beschlussfassungen der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft, deren Tagesordnung die in Ziff. 2 Art. 50 des Föderalgesetzes Nr. 208-FZ vom 26. Dezember 1995 „Über Aktiengesellschaften“ aufgeführten Fragen beinhaltet (Wahl des Direktorenrates oder Aufsichtsrates, Wahl der Revisionskommission und Bestimmung des Wirtschaftsprüfers , dürfen im Jahre 2020 durch Beschluss des Direktorenrates (Aufsichtsrats) der Aktiengesellschaft im Umlaufverfahren (Fernabstimmung) ohne Durchführung einer physischen Versammlung erfolgen.

Die Zentralbank der Russischen Föderation hat die Aktiengesellschaften aufgefordert, die aktuelle Coronavirus–Situation bei der Wahl der Form der Hauptversammlung in Betracht zu ziehen und Gesellschaften, die bereits beschlossen haben, im Jahr 2020 eine Hauptversammlung unter physischer Anwesenheit der Aktionäre (jährlich oder außerordentlich) durchzuführen, die Fernabstimmung zu erwägen. (Schreiben der Zentralbank Russlands vom 3. April 2020 Nr. IN-06-28 / 48).

Eine weitere wichtige Regelung dieses Gesetzes betrifft das Reinvermögen von Aktiengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung. Soweit das Reinvermögen unter den Wert des Stammkapitals sinkt, ist geregelt, dass die daraus erwachsende Verpflichtung zur Reduzierung des Stammkapitals oder zur Liquidation der Gesellschaft bis Ende 2020 nicht entsteht.

Darüber hinaus sieht das Gesetz auch vor, dass die Informationen über die Verminderung der Reinaktiva nicht in den Jahresabschluss einer Aktiengesellschaft für das Jahr 2020 aufgenommen werden müssen, wie dies Art. 35 Ziff. 4 AktG üblicherweise vorschreibt.


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